Neue Standards: AGMA will Vergleichbarkeit von Podcasts verbessern
Die Testphasen sind abgeschlossen: Im Januar 2022 soll die erste „ma Podcast“ der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (AGMA) veröffentlicht werden. Es geht um eine Podcast-Währung.
Podcasts sind längst keine „Laber-Formate“ mehr, sondern ein ernstzunehmendes journalistisches Produkt. Das hat spätestens der Erfolg des „Coronavirus-Updates“ des NDR gezeigt, aber auch andere Podcasts wie etwa die Spotify-Reportage über die Tragödie der Loveparade in Duisburg oder die investigative Recherche zu „Cui bono: WTF happend to Ken Jebsen?“ hat sich das Medium als treibende Kraft des Audio-Booms etabliert. Doch anders als beispielsweise die IVW-Zahlen bei Tages- und Wochenzeitungen zu Auflagenschwankungen gibt es bei Podcasts keine Standards zur Verbreitung und Nutzung. Eine solche Podcast-Währung führt die AGMA nun ein.
Erste Zahlen kommen im Januar 2022
Auch weil das Genre Podcast boomt und es immer mehr Formate und auch Hörer:innen gibt, wird eine Maßeinheit zur Vergleichbarkeit in der Branche schmerzlich vermisst. Um diese Lücke nun zu schließen, hat sich eine Taskforce gebildet. Gemeinsam haben Podcast-Hosts und -Publisher mit der AGMA, der Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung (AGOF), dem Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW), der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) und Mitgliedern der IP Audio in zwei Testphasen neue Messkriterien beschlossen. Diese und erste Ergebnisse zu standardisierten Downloadzahlen werden im Januar 2022 in der „ma Podcast“ veröffentlicht. Darin enthalten sind zunächst aber nur die Downloads, wie Olaf Lassalle, AGMA-Geschäftsführer im Interview mit White Lab berichtet.
Podcasts durch neue Standards professionalisiert
Die „ma Podcast“ weist die Nutzungszahlen in einem Dashboard aus: „Ein Download wird dabei als gültig gewertet, wenn die Dateigröße im Log mindestens einer Minute der Abspielzeit der Podcast-Episode entspricht. Die Aggregation erfolgt innerhalb eines 24-Stundenzeitraums, in dem ein Abruf pro Episode und Client als gültig zählt. Preloads, Kleinstabrufe und technisch bedingte Downloads werden eliminiert“, erklärt Lassalle. Mit diesem Standard seien Statistiken zur Podcastnutzung möglich. Leider kann das Dashboard der AGMA im ersten Schritt nur die Downloads pro Podcast und Monat abbilden, Informationen zur Nutzungsdauer oder zu den Hörer:innen selbst sollen erst später implementiert werden. Dennoch ist Henriette Hoffmann, die in der AGMA für Radio Marketing Service zuständig ist, zufrieden mit diesem neuen Instrument. Sie sagt horizont.net: "Wir kommen damit dem Bedürfnis unserer Marktpartner nach Reichweiten, Standards und Vergleichbarkeit sehr schnell nach." Für Hoffmann ist es ein wichtiger Schritt zur Professionalisierung von Podcasts.
„Entscheidend für die Messbarkeit ist, dass sich der teilnehmende Podcast technisch auf einer Publishing-Plattform befindet, die Server-Logfiles für die Messung liefern kann. Diese werden uns täglich und automatisiert zur Verfügung gestellt.“
Vermarktung: Vergleichszahlen helfen bei Werbung
Eine Professionalisierung ist besonders wichtig, das berichtet auch Olaf Lassalle: „Die Forderung und der Wunsch nach vergleichbaren Podcast-Leistungswerten nehmen zu, da der Podcast-Markt zunehmend an Relevanz gewinnt. Von vergleichbaren und validen Daten werden alle relevanten Marktpartner profitieren.“ Es geht also nicht nur um die Publisher und Hosts selbst, die mit den Werten ihre Angebote entsprechend der Resonanz anpassen oder nachschärfen können. Es geht auch um Vermarktung. Wer genaue Zahlen zu seinen Formaten hat, die sich mit anderen – auch international – vergleichen lassen, kann insbesondere mit Werbepartnern besser verhandeln und Werbeeinnahmen generieren.
Doch warum war es bislang so schwer, Abrufzahlen einheitlich zu messen und damit auch für eine gewisse Vergleichbarkeit auf dem Podcastmarkt zu sorgen? „Die Metriken der IAB waren bisher der breiteste Ansatz, um den Podcast-Markt abzubilden“, sagt Lassalle. IAB-Werbeformate sind standardisierte Vorgaben für die Integration von Online-Werbemitteln anhand des Typs (Bezeichnung), des Formats (JPG, GIF, HTML5, Flash), der Abmessungen (Pixel) und des Gewichts (KB). Sie werden auch Display-Standards genannt. IAB ist abgeleitet von Interactive Advertising Bureau bzw. Internet Advertising Bureau. „Diese IAB-Guidelines sind jedoch an einigen Stellen sehr unspezifisch und lassen verschiedene Auslegungsmöglichkeiten und somit keinen Standard zu. Wir haben mit der neuen ,ma Podcast‘ methodisch an den technischen Empfehlungen des IAB angeknüpft und diese zu einer Mediawährung weiterentwickelt. So kann eine IAB-konforme Vergleichbarkeit erfolgen“, erklärt der AGMA-Geschäftsführer weiter.
„ma Podcast“ bringt laut AGMA automatisierte Daten
Vorausgegangen ist der „ma Podcast“ eine Testphase. Ein Alphatest sollte in der ersten Jahreshälfte 2021 Lösungen für einen möglichst automatisierten Workflow erarbeiten. Dabei ging es zum einen um das Finden von „Best Practices“ hinsichtlich der Informations- und Datenbeschaffung und zum anderen um die Konzeption eines Gesamt-Workflows vom Erstkontakt zum Publisher bis zum Kennwert im Analyse-Tool. Der Alphatest brachte, so Olaf Lassalle, als Ergebnis ein prototypisches System, das in der Lage sei, die erforderlichen Daten anzunehmen, auszulesen, zu konsolidieren und im letzten Schritt IAB-konform zu aggregieren. Dieser Prototyp wurde in einem Betatest in der zweiten Jahreshälfte 2021 weiterentwickelt und geprüft.
Auf Basis von 30-tägigem Logfilematerial von 30 Publishern und über 100 angemeldeten Podcasts wurde diese Generalprobe abgeschlossen. Seit dem 1. Dezember ist das System in den Regelbetrieb der „ma Podcast“ übergegangen. „Entscheidend für die Messbarkeit ist, dass sich der teilnehmende Podcast technisch auf einer Publishing-Plattform befindet, die Server-Logfiles für die Messung liefern kann. Diese werden uns täglich und automatisiert zur Verfügung gestellt“, erklärt Lassalle.
Feinjustierung der Daten nötig
Die ersten Schritte für die Professionalisierung von Podcasts und einer damit einhergehenden besseren Vermarktung sind durch diese neuen Vergleichsstandards getan, jetzt muss in der Datenerhebung aber noch die Feinjustierung erfolgen. Denn sowohl für Hosts und Medien als auch für Werbe- und Kooperationspartner sind Informationen zu Nutzer:innen wichtig. Ein Abbild der validen Downloadzahlen reicht nicht. Außerdem muss die AGMA ebenfalls gewährleisten, dass alle Audio-Plattformen partizipieren – sonst ist die Vergleichbarkeit tatsächlich nur bedingt gegeben. Und zum Start der „ma Podcast“ ist ausgerechnet Spotify als einer der wichtigsten Player nicht dabei. Zu den Gründen will sich Spotify nicht äußern, schreibt horizont.net. „Lassalle geht aber davon aus, dass sich der Streaming-Riese zu einem späteren Zeitpunkt mit Podcast-Angeboten in die MA Podcast einbringen wird, und vermutet, dass er für seine Teilnahmeentscheidung intern noch einiges abklären muss“, heißt es weiter bei horizont.net.