Die Newsletter-Renaissance: Altes Journalismus-Tool lebt neu auf

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© Brett Jordan (Unsplash)

Das Medium Newsletter erlebt gerade einen regelrechten Aufwind. Immer mehr Medienhäuser stampfen neue Angebote aus dem Boden. Darum fragen wir: Was steckt hinter diesem Trend?

Wut! Die treibt Emily Atkin an. Atkin ist Journalistin aus den USA. Seit 2013 schreibt sie über die Klimakrise – und zwar ziemlich zornig. Sie war bei renommierten Medienhäusern, bis ihre Wut über die Untätigkeit der Weltpolitik dem Klimawandel entgegenzuwirken, zu groß wurde. Sie gründete HEATED – einen Newsletter über eben jenes allumfassendes Thema, das uns alle früher oder später betreffen wird. Innerhalb kürzester Zeit vervielfachte sich ihre Leser:innenschaft. Nach einem halben Jahr hatte sie schon 20.000 Abonnent:innen und 2000 Menschen, die für ihre Inhalte zahlten. Ein Fulltime-Job, besser bezahlt als jeder andere Job zuvor, wie sie selbst sagt. Emily Atkin traf einen Nerv – mit ihrer Wut. Und wurde damit sehr erfolgreich. Dies ist nur ein Beispiel für erfolgreiche journalistische Newsletter. Es gibt auch beispielsweise Morning Brew – ein Wirtschaftsnewsletter, der innerhalb eines Jahres von 100.000 auf 1.8 Millionen Subscribern schnellte. Ist das Zufall?

Nein, Newsletter erleben derzeit eine Renaissance. Auch wir im White Lab setzen auf dieses E-Mail-Tool – nicht ohne Grund.

“Email has replaced newspapers and from a digital perspective, it is the new homepage. Newsletter are key to continuing relationships with readers.” 

Das sagt Kerel Cooper, Senior Vice President of Global Marketing bei dem verantwortlichen Plattform-Unternehmen LiveIntent, zu dem Erfolg von Morning Brew. Mit dieser Einstellung steht Cooper nicht allein. Auch der renommierte Journalismus-Professor Jeremy Caplan macht im Podcast MEDIEN.MACHT.MEINUNG klar, dass eine neue Ära für Newsletter im Journalismus gerade begonnen hat. Schon wenige Leser:innen reichten aus, um erfolgreich zu sein, erklärt Caplan weiter. Es müssten nicht Millionen sein wie bei den erfolgreichsten Formaten aus den USA, um damit Geld zu verdienen.

Nutzer:innen lesen nicht nur, sie bezahlen für Inhalt

Das macht Hoffnung – auch für deutsche Formate, von denen es immer mehr gibt. Ein sehr bekanntes Beispiel ist der SocialMediaWatchblog, das einst als "ambitioniertes Hobbyprojekt begann und (mittlerweile) für Tausende Leser:innen fester Bestandteil ihres Medienmenüs ist", wie die Macher schreiben. Auch Medienhäuser springen zunehmend auf den Zug auf. Ganz vorne dabei ist der Tagesspiegel mit einer Fülle von Angeboten – von dem werktäglichen Briefing des Chefredakteurs Lorenz Maroldt bis hin zu einem monatlich erscheinenden Newsletter zu queeren Themen. Vor allem das zweite Beispiel zeigt, dass es bei dem E-Mail-Programm gerne speziell sein kann.

Allerdings kommt vor dem Erfolg leider die Arbeit. Viele erfolgreiche Newsletter zeigen, dass es gelingen kann, Menschen mit einem besonderen Angebot zu erreichen und zu überzeugen. Jeremy Caplan spricht daher nicht umsonst im MEDIEN.MACHT.MEINUNG-Podcast von einer "neuen Ära im Journalismus". Die hier genannten Beispiele haben eines gemeinsam: Ihre Nutzer:innen erhalten nicht nur gerne Beiträge auf dem digitalen Postweg, sie zahlen sogar dafür. Wir haben es bei Newsletter-Abonnent:innen also nicht mehr "nur" mit lesenden Nutzer:innen zu tun, sondern auch mit zahlenden. Das alleine sollte doch ausreichen, um sich jetzt sofort an ein neues Angebot zu setzen. Doch ganz so leicht ist es dann doch nicht.

Fünf Denkanstöße, die einen Newsletter erfolgreich machen (können)

Okay, Newsletter können erfolgreich sein. Doch ein paar Gedanken muss sich jeder vorher machen, um wirklich seine oder ihre Zielgruppe zu erreichen - und damit fängt es schon an. Wen will man eigentlich erreichen? Wir haben neben diesem noch ein paar weitere Denkanstöße aufgeschrieben. Sie sind ein erster Input. An entsprechender Stelle werden wir unsere Ideen vertiefen.

Einfach anfangen!

Journalist:innen müssen sich immer mit ihrem Publikum auseinandersetzen. Ja, mehr noch: Sie müssen mit ihren Nutzer:innen kommunizieren, in den Dialog treten, Kritik aushalten und möglicherweise die festgefahrene Arbeit überdenken und neue Wege gehen. Wenn wir aber etwas ganz Neues ausprobieren, hilft es nichts, wenn wir lange Pro- und Contra-Listen erstellen, das Für und Wider ständig abwägen und uns so selbst ausbremsen. Manchmal muss die Devise lauten: einfach anfangen!

Erwartungen herunterschrauben!

„Nun gibt es meinen Newsletter schon drei Wochen und trotzdem habe ich nur zwei Abonnent:innen - das klappt doch nie!” Diese Einstellung hilft niemandem weiter. Wer ein neues Produkt auf den Markt bringt, muss auch geduldig sein. Wie heißt es doch so schön? "Gut Ding will Weile haben." Erfolg stellt sich nicht von jetzt auf gleich ein. Es braucht Zeit, und diese sollte sich jede:r Newcomer:in nehmen. Darum: Erwartungen runterschrauben und vielleicht eine Runde meditieren!

Auf gute Inhalte setzen!

Wenn eins klar ist, dann das: „Content is king!” Viel mehr gibt es dazu gar nicht zu sagen. Wenn die Qualität eines Produktes stimmt, kommt der Erfolg von alleine. 

Nische finden!

Das Wort Nische ist meist negativ konnotiert. Warum eigentlich? Bei einem neuen Newsletter hilft diese Nischigkeit sogar. Dieses Medium hat einen großen Vorteil: Es kann den Leser:innen einen ganz persönlichen Blickwinkel vermitteln – und das macht das Medium für viele Schreibende, aber vor allem für die Lesenden reizvoll. Darum ist der Spezialisierung keine Grenze gesetzt. Menschen schreiben über Schwangerschaft, mentale Gesundheit, Volleyball oder auch Eisfischen. Und diese persönliche Stimme, mit der sich manche vielleicht verbunden fühlen oder auch daran aufreiben, macht einen Newsletter aus. Also: keine Angst vor Nischenthemen!

Kollaborieren!

Wer ganz am Anfang steht und keine große Audience hat, kann sich „Hilfe” bei erfolgreichen Autor:innen suchen. Kollaboration ist das Stichwort. Die Zusammenarbeit untereinander macht Spaß, schafft Synergien und ist bereichernd. So können Journalist:innen gegenseitig Gastbeiträge schreiben und aufeinander aufmerksam machen. Davon profitieren alle. Sucht euch Mitstreiter:innen!

Und zum Schluss gibt es noch eine sechste Regel, die eigentlich selbstverständlich sein sollte: Wenn ihr mit einem neuen Projekt beginnt, dann gibt es nur eine Vorgabe: DURCHHALTEN!