Studie belegt: Druck auf Journalist:innen nimmt zu
Die mentale Gesundheit von Journalist:innen muss stärker in den Fokus von Redaktionen und Führungskräften rücken. Das belegen Untersuchungen. Wir haben die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst.
Wer in den Journalismus geht, entscheidet sich oft nicht nur für einen Beruf, sondern für eine Leidenschaft. Immer mehr müssen Journalist:innen aufpassen, dass von dieser Leidenschaft am Ende nicht nur das Leid übrig bleibt. Herausforderungen und Stress nehmen zu, wie Studien und Statistiken darlegen.
Digitaler Wandel erhöht den Druck
Eine im Sommer dieses Jahres veröffentlichte Studie der Otto-Brenner-Stiftung belegt den steigenden Arbeitsdruck im Journalismus. In der nicht repräsentativen Untersuchung „Arbeitsdruck – Anpassung – Ausstieg“ wurden zunächst zwanzig hauptberufliche Journalist:innen verschiedener Mediensegmente interviewt. Die dadurch gewonnenden Erkenntnisse dienten als Grundlage für einen Online-Fragebogen, der an 161 Journalist:innen ging.
Die Autoren - die Heidelberger Professoren, Burkhard Schmidt, Rainer Nübel, Simon Mack und Daniel Rölle - kommen nach Auswertung ihrer Ergebnisse zu dem Schluss, dass die Transformation in den deutschen Medienhäusern den schon ohnehin großen Druck auf Journalist:innen erhöht. Rainer Nübel zu Folge sei ein Grund der digitale Wandel, „der das Berufsbild verändert und die Arbeitsverdichtung vergrößert hat“. Zweitens sei die ökonomische Krise bei den privatwirtschaftlichen Medien ein Problem, die aufgrund gesunkener Vertriebs- und Werbeerlöse Personaleinsparungen zur Folge hat. Laut der Studie sagen rund 60 Prozent der befragten Journalist:innen, Einsparungen ihres Medienunternehmens hätten ihre persönliche Arbeitssituation verschlechtert. Drittens gibt es einen Vertrauensverlust journalistischer Medien in Teilen der Bevölkerung, der auch von Journalist:innen als solcher wahrgenommen wird.
Erhöhte Werte auf der Burnout-Skala
In der Untersuchung konnten zudem deutliche Hinweise auf psychosoziale Belastungen am Arbeitsplatz festgestellt werden. Dies bezieht sich zum einen auf erhöhte Werte auf der Burnout-Skala „Mentale Erschöpfung“: Jeweils zwei Drittel der Online-Befragten gaben an, sich „schon vor der Arbeit müde“ zu fühlen und dass die Belastungen durch die Arbeit „nicht zu ertragen“ seien, 40 Prozent sind arbeitsbedingt immer häufiger „emotional ausgelaugt“. Zum anderen ließen sich berufliche Gratifikationskrisen ermitteln – beispielsweise sehen nur rund 28 Prozent der Journalist:innen für sich angemessene Aufstiegschancen. Aus diesen Ergebnissen lässt sich nach Auffassung der Autoren ein statistisch erhöhtes Gesundheitsrisiko für körperliche und psychische Folgeerkrankungen ableiten.
Bleiben oder gehen?
„Die zentralen Herausforderungen der medialen Transformation lösen bei den Journalist:innen primär negative Gefühle aus“, resümiert das Autorenteam. Dies zeigten vor allem die Interviews: Neben Frustration und Unsicherheitsgefühlen bestehe bei vielen Sorge um die Jobsicherheit. In der Online-Befragung geben fast 60 Prozent aller Befragten, insbesondere jüngere Journalist:innen, an, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten wiederholt an das Aufgeben ihres Berufs gedacht haben – zehn Prozent sogar einige Male in der Woche.
Arbeitgeber:innen in der Pflicht
Was den Autoren in ihren Befragungen immer wieder aufgefallen ist: Viele der Studienteilnehmenden beklagen mangelnde Unterstützung seitens ihrer Arbeitgeber:innen. Für letztere sollte die psychische Gesundheit der Journalist:innen daher stärker in den Fokus rücken. Das Resümee der Heidelberger Professoren: „Ein psychologisches Gesundheitsmanagement unter Einbezug der Interessenvertretungen kann ein wertvoller Beitrag sein, um die Gesundheit von Journalist:innen nachhaltig zu schützen und die Arbeitsbedingungen den Transformationsherausforderungen anzupassen.
Die Ergebnisse der Otto-Brenner-Stiftung bestätigt auch den Eindruck der Gewerkschaften. "Beinahe täglich melden sich Kolleginnen und Kollegen bei unseren Mediensekretärinnen und Betriebsräten. Viele sind verzweifelt: Sie seien ausgebrannt, können einfach nicht mehr", schreibt die dju-Bundesvorsitzende Tina Groll. Sie warnt: "Die Journalismusbranche steht kurz vor einem kollektiven Burnout." Der DJV-Bundesvorsitzenden Frank Überall spricht von einem „Alarmsignal für den ganzen Journalismus“.
Gesunde Mitarbeiter:innen zahlen sich aus
Für Führungskräfte wird es immer wichtiger, den Arbeitsdruck ihrer Mitarbeiter:innen zu senken - und das auch in ihrem eigenen Interesse. Fachkräftemangel und fehlender Nachwuchs sorgen schon jetzt für Engpässe auf dem Arbeitsmarkt. Auch gut ausgebildete und fähige Journalist:innen könnten in Zukunft rar sein - und damit wählerischer werden, was ihren Arbeitsplatz angeht. Zynisch gesprochen aber statistisch belegt: gesunde Mitarbeiter:innen kosten dem Unternehmen weniger Geld. Psychische Erkrankungen sind laut dem Bundesgesundheitsministerium immer häufiger der Grund für Fehlzeiten und den frühzeitigen Einstieg in das Rentenalter. Rund 15 Prozent aller Fehltage gehen schon jetzt auf Erkrankungen der Psyche zurück. Besondere Brisanz erhalten psychische Erkrankungen auch durch ihre Krankheitsdauer, die mit durchschnittlich 36 Tagen dreimal so hoch ist wie bei anderen Erkrankungen mit zwölf Tagen. Wer in die mentale Gesundheit seiner Mitarbeiter:innen investiert, spart so gesehen sogar Geld. Dies gilt nicht nur für die Medienbranche, auch wenn der Druck hier zusehends größer wird. Niemand sollte einen Beruf haben, der sie oder ihn krank macht.