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Elon Musk und sein Twitter-Deal: Auswirkungen auf die Kommunikation in der Welt

Artikelbild: Elon Musk und sein Twitter-Deal: Auswirkungen auf die Kommunikation in der Welt

Was der Twitter-Deal von Elon Musk bedeutet, wie die nationalen und internationalen Reaktionen aussehen und welche Auswirkungen der Kauf für die Kommunikation der Welt hat.

Trotz einiger Vorzeichen war es eine Nachricht mit Schlagkraft: Elon Musk kauft Twitter! Und die Reaktionen darauf folgten prompt. Von Untergangsszenarien der Plattform bis Jubelschreie für die Meinungsfreiheit war alles dabei. In diesem Text gehen wir nicht auf die Entstehungsgeschichte des Deals ein, sondern beschränken uns auf die Bedeutung und die Reaktionen. Außerdem erläutern wir unsere Sichtweise.

Wer mehr über den 44-Milliarden-Dollar-Kauf des Tesla-Chefs erfahren möchte, dem empfehlen wir die Beiträge vom Social Media Watchblog sowie die Zusammenfassungen von tagesschau.de und von wuv.de.

Das hat Elon Musk mit Twitter vor

Seine Pläne für Twitter erklärte Musk in einer kurzen Nachricht an den Verwaltungsrat der Plattform – und auf Twitter selbst (25. April 2022):

Über seine Idee, den Twitter-Algorithmus zu „veröffentlichen“, hat Musk seine Follower bereits abstimmen lassen. Die Idee: mehr Transparenz für Nutzer:innen, indem sie nachvollziehen können, nach welchen Parametern ihnen Inhalte angezeigt werden. Twitter nutzt, wie die meisten sozialen Netzwerke, einen Ranking-Algorithmus, der die Inhalte vorsortiert. Da ein Algorithmus durch maschinelles Lernen angepasst wird, müssten jedoch die Daten veröffentlicht werden, mit denen er trainiert wird. Ein Quellcode allein sorgt also nicht für Transparenz. 

Die Formulierung, „alle Menschen zu authentisieren“, klingt in diesem Zusammenhang noch sehr vage. Eine konkrete Umsetzungsidee bleibt Musk schuldig. Sollte es beispielsweise zukünftig verpflichtend werden, sich mit Klarnamen zu verifizieren, könnte dies beunruhigende Auswirkungen auf die Privatsphäre der Nutzer:innen haben und Aktivist:innen einschränken, die die Anonymität nutzen, um gesellschaftliche Bedenken zu äußern. 

Kampf gegen Spambots und Hate Speech?

Musks Bestrebung Twitter-Nutzer:innen zu „authentifizieren“, könnte aber auch – mit der richtigen Umsetzung – als Verbesserung gesehen werden. Eines der größten Ärgernisse auf der Plattform sind Spam-Accounts, die so bekämpft werden könnten. Befürworter:innen gehen davon aus, dass mehr bestätigte Identitäten zu weniger Hate Speech und Missbrauch auf der Plattform führen könnte. 

In seiner Nachricht an den Verwaltungsrat teilte Musk weiter mit, Twitter zu privatisieren. In der Folge soll die Plattform von der Börse genommen werden. Der Social Media Watchblog hält es grundsätzlich für eine gute Idee, Twitter zu privatisieren. Trotz vieler prominenter Nutzer:innen ist es Twitter bislang nicht gelungen, ein starkes Wachstum zu verzeichnen. Unabhängig von Börse und Aktionär:innen könnten in dem Unternehmen möglicherweise leichter Strukturveränderungen stattfinden. 

Kaum Details zur Monetarisierung

Es gibt wenige Details dazu, wie Musk Twitter in ein profitables Unternehmen verwandeln möchte. Unter Berufung auf anonyme Quellen berichtet Reuters von einem Plan, den Musk den Banken hat vorstellen müssen, die ihm das Geld für die Twitter-Übernahme geliehen haben. So will Musk zum einen die Kosten reduzieren, indem beispielsweise die Gehälter von Führungskräften gekürzt werden. Zum anderen hofft er auf Einnahmen durch Tweets. Anfang Mai verkündete Musk auf der Plattform: "Twitter will always be free for casual users, but maybe a slight cost for commercial/government users." Scheinbar erwägt der Milliardär "geringe Kosten" für kommerzielle Nutzer:innen und Behörden. Bislang ist Twitter für alle kostenlos.

„Freie Meinungsäußerung ist das Fundament einer funktionierenden Demokratie“ schreibt Musk in seinem „Yesss-Tweet“. Musk, der sich gerne als „Verteidiger der Meinungsfreiheit“ bezeichnet, kritisiert regelmäßig die Moderationspolitik Twitters. Sein wichtigstes Ziel scheint daher, die Moderation von Inhalten auf ein Minimum zu beschränken. Besonders an diesem Plan erhitzen sich die Gemüter. Während Befürworter:innen die Aussicht auf weniger Kontrollen begrüßen, befürchten vor allem Menschenrechtsorganisationen, dass Minderheiten auf der Plattform künftig weniger geschützt sind. Eine Sorge, die laut Social Media Watchblog berechtigt ist: „Selbsterklärte Free-Speech-Plattformen wie Gab, Parler, Gettr oder der Trump-Flop Truth Social zeigen, wohin das führt: Grenzenlose Redefreiheit endet fast immer in grenzenlosem Hass.“

Das sagt die Presse: Gefährlich, chaotisch und ein bisschen genial

Gefahr für den Journalismus: Für die International Federation of Journalism (IJF) ist Musks spektakulärer Twitter-Deal „bad news for media freedom“.  Der größte internationale Dachverband nationaler gewerkschaftlicher Journalistenverbände kritisiert u.a. eine mögliche Authentisierung von Twitter-Nutzer:innen, die zum Beispiel anonyme Quellen von Journalist:innen gefährden könnten. Außerdem befürchtet der Dachverband, dass die geplante Verringerung der Content-Moderation zu mehr Desinformation und Gewalt gegen Journalist:innen führen könnte. Laut eigenen Studien des IJF sind bereits jetzt Journalist:innen, vor allem Frauen und Minderheiten, das Ziel von Angriffen auf Plattformen wie Twitter. 

“Twitter is an extension of journalists’ offices. This is where journalists promote their work, express ideas or find sources of information. This space must be duly moderated, while respecting freedom of speech. It is a fine balance that any Twitter owner must pay attention to. We are concerned that Elon Musk’s plans for Twitter are going the wrong direction by exacerbating opportunities to attack journalists and threatening the anonymity of users."
Anthony Bellanger, IFJ General Secretary

Einfluss auf die öffentliche Meinung: „Freedom of the press is limited to those who own one” – ein in Nordamerika bekanntes Zitat, dass auch der Wirtschaftskolumnist Don Pittis in seinem Beitrag für die kanadischen CBC News verwendet. Er beschäftigt sich mit der Frage, warum Musk Twitter kaufen möchte. Sein Gesprächspartner James Turk – Direktor vom „Centre for Free Expression“ an der Toronto Metropolitan University – erklärt, dass es fast schon Tradition hat, dass ein reicher Mann ein ganzes Medienunternehmen kauft. Dazu führt er die Beispiele Jeff Bezos (Washington Post) und Rupert Murdoch (Wall Street Journal) an. Warum sie Medienunternehmen kaufen? „Sie wollen die öffentliche Meinung beeinflussen. Sie haben ihre eigenen Vorstellungen von der Welt“, sagt James Turk. 

Verrückt, chaotisch und auch ein bisschen genial: Derek Thompson ist Autor beim Atlantic, einer US-amerikanischen Monatszeitschrift, die in den USA als Inbegriff des Qualitätsjournalismus gilt. Die Bewunderung für den Tech-Milliardär ist Thompson zwischen seinen Zeilen deutlich anzuhören. In seinem Artikel „Elon Musk Buying Twitter Is Weird, Chaotic, and a Little Bit Awesome“ kritisiert er das bisherige Geschäftsmodel der Plattform und führt Musks Liebe für Twitter ins Feld: „Musk’s love for Twitter is beyond doubt“. Seine Theorie: Jemand, dessen Herz so für Twitter schwärmt, wird sich mit Inbrunst für dessen Erfolg einsetzen. Thompson bremst sich jedoch mit seiner eigenen Idee und prophezeit, dass Musk in zehn Jahren nicht mehr die Geschicke Twitters leiten wird. Grund: Musk ist und bleibt ein Tech-Visionär, der sich mit Produkten aber eben nicht mit Menschen auskennt und sich schwer tun wird, die Wünsche von Millionen Nutzer:innen zu erkennen. 

Twitter als Fake-News-Agentur:  Carolina Chimoy von der Deutschen Welle hat Bedenken, dass Musk wirklich weiß, wie viel Macht Twitter für die weltweite Kommunikation hat. Sie fragt, ob ihm bewusst ist, wie viel Verantwortung damit einhergeht - und dass es nicht nur um Profit geht wie in einem privaten Unternehmen. Außerdem kritisiert Chimoy Musks Einstellung zur Pressefreiheit. Er fordert auf der einen Seite die Meinungsfreiheit nach amerikanischem Vorbild - also alles ist möglich, blockt aber gleichzeitig Menschen auf seinem Twitter-Profil, deren Meinung ihm nicht passt. Das geht nicht zusammen, sagt Chimoy.

"Jeder und jede soll sich zu allem äußern können, so Musk, der sich selbst als ein "free-speech Absolutist" beschreibt. Eine Welt, die gerade unter ihm kaum vorstellbar ist, denn der Milliardär ist dafür bekannt, dass er in seinem eigenen Twitter-Account schon mehrmals Menschen geblockt hat, die ihn oder seine Unternehmen kritisieren. Auch Journalisten, die Kritik gegenüber seiner Person geäußert haben, werden regelmäßig auf Musks Twitter-Account gemobbt."
Carolina Chimoy, Deutsche Welle

Wunderbare Paarung: Auch Malte Kirchner hat den Deal eingeordnet. Bei heise.de kommentiert er, warum Elon Musk und Twitter wunderbar zusammenpassen: Twitter sei wie gemacht für jemanden wie Musk. "Die Firma eiert seit vielen Jahren auf der Suche nach der richtigen Monetarisierungsstrategie herum. Nicht einmal einen Bearbeiten-Button kann das in seinem Erfolg erstarrte Netzwerk einführen." Durch den Multimilliardär könnte Bewegung in das Unternehmen kommen, sagt Kirchner. Denn: "Dort, wo sich Menschen und Organisationen mehr mit sich selbst als mit der Sache beschäftigen, wo Umständlichkeit vor Einfachheit geht, kommen Leute wie er ins Spiel." 

Multimilliardäre, die durch ihr Geld die weltweite Kommunikation beeinflussen

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Elon Musks Verständnis von Meinungsfreiheit ein großes Problem darstellt. Als so genannter "free speech"-Absolutist darf laut ihm jeder das sagen, was er möchte. Eine unbegrenzte Redefreiheit im Netz sozusagen. Doch was das anrichten kann, wissen wir bereits. Die Gefahr von Hassrede, von Manipulation und auch von Falschnachrichten erhöht sich, wird möglicherweise kaum zu bändigen sein. Dabei ist es - zumindest nach EU-Gesetz - die Pflicht einer Plattform wie Twitter, gegen Fake-News und Hate Speech vorzugehen. Kann man das aber von einem Unternehmer erwarten, der Journalist:innen von Pressekonferenzen auslädt, weil ihm Beiträge im Vorfeld nicht gefallen haben? Schwierig.

Wiegen diese Gefahren eine mögliche positive Entwicklung von Twitter durch Musks Ideen dann zumindest auf? Wohl nicht. Innovationen kann der Paypal- und Tesla-Gründer. Das ist unbestritten. Auch seine Art, Dinge nicht zu verkomplizieren, ist gut für die Unternehmenswelt. Doch die Welt ist manchmal (leider) kompliziert, dann müssen Dinge auch entsprechend behandelt und geregelt werden. Ob das mit dem innovationsgetriebenen Charakter Musks möglich ist, scheint fraglich.

Das größte Problem an dem Deal ist allerdings, dass die wichtigsten Kommunikationskanäle der Welt mittlerweile in den Händen von Multimilliardären liegen, die durch ihr Geld und damit durch ihre Macht die weltweite Kommunikation beeinflussen können. Es ist auf der einen Seite Mark Zuckerberg mit Meta/Facebook, Instagram und Whatsapp und nun Elon Musk mit Twitter. Wenn sie an den Schrauben der Algorithmen drehen, nötige Netiquetten fallen lassen und damit auch den Kampf gegen Falschnachrichten und Hass wissentlich aufgeben, dann ist das problematisch. Sehr problematisch.