Presseförderung für Print: Finanzspritze für Innovation?

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Die Politik will Verlage bei der digitalen Transformation unterstützen und hat deswegen eine 200-Millionen-Euro-Förderung auf den Weg gebracht. Die Verbände wollen aber lieber eine Zustellsubvention.

Das Gegenteil von gut gemacht ist bekanntlich gut gemeint. Nun lässt sich hämisch fragen: Wie gut gemeint ist die Presseförderung, die das Bundeswirtschaftsministerium gerade ausarbeitet? Dieser Spott kommt nicht von ungefähr, denn die Kritik an der Initiative nimmt nicht ab. Doch fangen wir von vorne an. Während es in vielen anderen (europäischen) Ländern bereits Usus ist, dass der Staat Journalismus finanziell unterstützt, markiert diese Presseförderung ein historisches Vorgehen. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass die Regierung private Medien fördern möchte.

Aus 40 Millionen Euro wurden 200 Millionen Euro - mit Innovationsstempel

Begonnen hat die Diskussion um eine Presseförderung bereits Ende 2019, als das Parlament beschlossen hat, 40 Millionen Euro für die Zustellung von Zeitungen und Anzeigenblättern bereitzustellen. Hintergrund: Die Medienhäuser kranken unter dem Mindestlohn der Zusteller. Kurzum: Die Zustellung ist zu teuer geworden – vor allem im ländlichen Raum, die Verlage brauchen Hilfe. So weit, so verständlich. Doch es kommt alles anders. Einige Debatten und eine Coronakrise später sollen jetzt statt der 40 Millionen Euro Subventionen für die Zustellung 200 Millionen Euro für Innovationen fließen. Es gehe darum, „die erforderliche digitale Transformation des Verlagswesens“ zu unterstützen, heißt es in dem Programm des Bundeswirtschaftsministeriums. Diese Finanzspritze soll helfen, die Medienvielfalt zu erhalten und den Journalismus zu stärken.

Förderung an Auflage gekoppelt und als Zuschuss zu sehen

Doch ein Kritikpunkt, der immer wieder mitschwingt: Die Förderung ist an die jeweilige Auflage der Verlage gekoppelt. Große Medienhäuser bekommen also auch entsprechend mehr Geld. Dies verkläre die Situation, da gerade kleinere Verlage mehr Unterstützung bei der Digitalisierung benötigen. Ein weiterer Kritikpunkt: Die Investition des Bundes ist eine Art Zuschuss. Das heißt, die Verlage bekommen 45 Prozent und investieren selbst wiederum 55 Prozent in Investitionen. Der Deutschlandfunk hat dazu eine interessante Rechnung für eine Lokalzeitung aufgemacht:

Eine kleine Lokalzeitung wie die „Ostfriesen-Zeitung“ in Niedersachsen mit ungefähr 27.000 Abo-Kundinnen und -Kunden würde nach Berechnungen der Redaktion etwa 260.000 Euro bekommen, müsste aber selbst etwa 320.000 Euro investieren. Bei der größeren „Süddeutschen Zeitung“ wären beide Zahlen entsprechend mehr als zehnmal so hoch.

Dieses reale Zahlenbeispiel zeigt ein Problem der Presseförderung. Kleine Lokalmedien wie etwa die "Ostfriesen-Zeitung" müssten für einen entsprechenden Zuschuss selbst extrem viel Geld investieren, sodass sie möglicherweise von dem Programm Abstand nehmen.

Lieber Hilfe in der Zustellung als in Innovationen?

Das Programm des Wirtschaftsministeriums sieht ganz klar vor, dass nur Verlage mit Printfokus gefördert werden sollen. Medien, die rein digital agieren, gehen daher leer aus. Geht die Initiative damit an der Realität vorbei? Sind gedruckte Zeitungen und Zeitschriften überhaupt noch das, was die Nutzer:innen wollen? Nicht nur die Politik sagt Ja, auch der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) stimmt dem zu und belegt die Stabilität von Print mit einer Studie von Anfang 2020: "75 Prozent der Print-Abonnenten von Tageszeitungen können sich nicht vorstellen, ihren Titel nur noch als E-Paper zu lesen." Wie W&V zusammenfasst, bestehen loyale Abonnenten der gedruckten Zeitung auf ihrem Printexemplar – "und zwar pünktlich frühmorgens im Briefkasten", sagt BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff und weiter:

"An einer funktionierenden und für die Verlage bezahlbaren Infrastruktur in der Zustellung führt also vorerst kein Weg vorbei."

Dennoch ist nicht zu verschweigen, dass die Auflagen der meisten Tageszeitungen seit Jahren rapide sinken. Eine erschreckende Entwicklung: Im Jahr 2010 gab es noch 194 Millionen verkaufte Exemplare von deutschen Tageszeitungen. Zehn Jahre später sind es nur noch 12,5 Millionen Exemplare. Tendenz weiter sinkend. Dagegen hilft keine Subvention der Zustellung. Dennoch hält der BDZV unweigerlich an dieser Forderung fest. Der Verbandspräsident Mathias Döpfner sagte noch im November:

„Wir versuchen, die Politik - um es konkret zu sagen - davon zu überzeugen, von dieser digitalen Innovationsförderung Abstand zu nehmen.“

Doch dazu ist es (noch) nicht gekommen. Die abschließenden Beratungen des Haushaltsausschusses des Bundestags Ende November sehen eben jene Innovationsförderung vor. Die Zustellung von Zeitungen soll nicht subventioniert werden. Bislang liegt nur ein vierseitiges Konzeptpapier vor. Eine genaue Förderrichtlinie für die bewilligten 200 Millionen gibt es noch nicht. Das Wirtschaftsministerium arbeitet diese gerade heraus (Stand: Dezember 2020).