Das steckt hinter dem Begriff false balance
Was bedeutet falsche Ausgewogenheit? Wir haben für dich die wichtigsten Fakten zum Thema zusammengefasst.
Was bedeutet false balance?
Der englische Begriff lässt sich mit "falscher Ausgewogenheit" übersetzen. Gemeint ist damit keine Unausgewogenheit, also zwei gleichwertige Dinge werden unterschiedlich bewertet, sondern das Gegenteil: Zwei unterschiedliche Dinge werden gleich bewertet. Deutlich macht es das Beispiel von Kommunikationswissenschaftler Prof. Sven Engesser von der TU Dresden, der zu false balance forscht:
"Von false balance sprechen wir immer dann, wenn in den Medien zwei Positionen 50:50 vorkommen, aber in der Realität, beispielsweise im wissenschaftlichen Konsens, dieses Verhältnis ganz anders ist. Also zum Beispiel 90:10."
Noch konkreter wird es mit einem Beispiel aus der Realität: Etwa 97 Prozent der Forscher:innen und Fachautor:innen in der Wissenschaft halten den menschengemachten Klimawandel für gesichert. Um möglichst verschiedene Meinungen abzubilden, lädt die Redaktion einer Talkshow nun zum Thema auch ein:e Klimaleugner:in oder Klimaskeptiker:in ein. Bei zwei Gesprächsparter:innen - eine Wissenschaftlerin, die den Klimawandel für gesichert hält und ein Wissenschaftler, der den menschengemachten Klimawandel abstreitet - kann beim Publikum der Eindruck entstehen, dass diese zwei Personen die wissenschaftliche Meinung zum Thema widerspiegeln, also 50:50 - dabei liegt das Verhältnis in Wahrheit bei 97:3.
Was tun gegen false balance?
Nun können wir in einer Talkshow, um beim Beispiel zu bleiben, keine 97 Expert:innen auf der einen und weitere drei Gesprächsgäste auf der anderen Seite einladen. Weiterhin ist die Ausgewogenheit von Meinungen eine journalistische Norm. Der öffentliche-rechtliche Rundfunk ist laut Rundfunkstaatsvertrag sogar zur Ausgewogenheit verpflichtet, um Meinungspluralität zu erzeugen. Es wäre auch falsch, andere Meinungen zu ignorieren, nur um false balance zu vermeiden. Was also tun? An dieser Stelle empfiehlt Kommunikationswissenschaftler Sven Engesser die Kontextualisierung und Gewichtung der jeweiligen Gäste, beispielweise indem von vornherein dem Publikum klar gemacht wird: Die Meinung dieses Gastes teilen nur wenige Prozent der Wissenschaftler:innen. Auch Transparenz des journalistischen Arbeitsprozesses kann helfen. So kann die:der Autor:in im Beitrag begründen, warum nur bestimmte Expert:innen zu Wort kamen, andere aber wiederum keine Erwähnung fanden.
Interview: Servan Grüninger, wie vermeiden wir false balance? » mehr erfahren
Noch mehr Tipps zum Umgang mit wissenschaftlichen Fakten und false balance könnt ihr in unserem Interview mit dem Schweizer Biostatistiker Servan Grüninger nachlesen.