Ausblick 2021: Was wird im Journalismus wichtig (bleiben)?

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Auch 2021 wird das Coronavirus die Berichterstattung von Journalist:innen auf allen Kanälen bestimmen. In welchen Strukturen und mit welchen Techniken erzählen sie zukünftig dieses und andere Themen?

Journalismus wird diverser

Nicht erst die Black-Lives-Matter-Proteste 2020 haben bei Redakteur:innen die Frage aufgeworfen, wie divers ihre Berichterstattung ist. Schon ab 2015 zeigte sich, dass es den Medien schwerfällt, ein differenziertes Bild der nach Deutschland Geflüchteten zu zeichnen. Und wie bildet der Journalismus die Themenwelt der türkischen oder muslimischen Mitbürger hierzulande ab? Die Forderung nach mehr Vielfalt in Zeitungen und im Fernsehen ertönt schon länger. Nun endlich scheinen Verlags- und Medienhäuser das Potenzial erkannt zu haben: Mit neuen Inhalten gewinnen sie auch neue Zielgruppen. Damit bilden sie nicht nur eine Gesellschaft in ihrer Breite ab, wie es sie schon längst gibt, sondern entsprechen mit ihrer Berichterstattung auch dem Zeitgeist. Mittlerweile ist aus Black Lives Matter eine internationale Bewegung geworden und hat ein Bewusstsein für mehr Diversität in allen Bereichen und Branchen geschaffen. Für einen nachhaltig diverseren Journalismus reicht aber alleine keine neue Themenrubrik in Print, Online und Rundfunk. Erst müssen die Redaktionen selbst vielfältiger werden, damit sie glaubhaft berichten können. Noch ist der Anteil an Migrant:innen, inklusiven Berichterstatter:innen, People of Color und queeren Menschen zu gering. Zwar wird sich das auch 2021 nicht signifikant ändern aber die Botschaft ist in der Branche angekommen.

Audioboom hält an

In der Coronakrise nahm die Beliebtheit von Podcasts und Audioformaten zu. Diesen „Anschub“ hatte das Medium aber gar nicht nötig. Der Trend zum auditiven Erzählen und Berichten begann in den USA schon lange vor der Pandemie. Derzeit haben wir in Deutschland ungefähr so viele Podcast-Hörer:innen wie die Staaten vor fünf Jahren. Dort und hier nehmen die Zahlen weiter zu. Wie sich der Podcast-Markt bei uns verändern wird, haben wir in unseren Podcast-Trends für 2021 zusammengefasst. Nicht nur Podcasts, auch das „Hören statt Lesen“ wird beliebter. Für immer mehr Menschen entspricht es ihrem Nutzer:innenverhalten, sich Webinhalte vorlesen zu lassen. Webseiten und Apps mit einer Text-to-Speech-Option, also einer Vorlese-Funktion, nehmen daher zu. Smart Speaker, die z.B. auf Amazons Alexa oder Apples Siri hören, schlagen schon seit Längerem in diese Kerbe. Die digitalen Sprachassistenten lesen auf Befehl Nachrichten und Schlagzeilen aus dem Internet vor. Für Medienhäuser ist so ein zusätzlicher Ausspielweg für ihre journalistischen Produkte entstanden, der zukünftig noch stärker genutzt und seine eigenen Formate hervorbringen wird.

Transparenz schafft Vertrauen

Die Corona-Pandemie stürzte auch die Medienbranche in eine schwere Krise. Gleichzeitig profitierten Journalist:innen von einem gestiegenen Vertrauen in ihre Arbeit, wie eine Studie im Auftrag des WDR im Herbst 2020 zeigte. Das ist eine Entwicklung in die richtige Richtung, die jedoch doch nicht genug Menschen mit sich zieht. In derselben Zeit nahmen Verschwörungsideologien in sozialen Kanälen zu. Das Publikum sollte nicht einzelnen Telegramnachrichten oder Facebook-Posts mehr Glauben schenken, als den Nachrichten etablierter Medien. Doch gerade diese großen Medienhäuser wirken zu mächtig, zu unnahbar für einige Nutzer:innen. Längst haben Journalist:innen erkannt, dass sie nicht länger im Elfenbeinturm verweilen können. Immer mehr Redaktionen öffnen – im übertragenen Sinne – ihre Türen fürs Publikum, beispielsweise indem sie nicht nur ihren Artikel, sondern auch die dazugehörige Recherche veröffentlichen. Es gibt verschiedene Ansätze für mehr Transparenz in der journalistischen Arbeit. Die New York Times unterhält beispielsweise ein eigenes Visual-Investigation-Team, dass akribisch visuelles Beweismaterial analysiert, um Nachrichten auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Die daraus enstandenen Videos sind online abrufbar. Natürlich kann sich nicht jedes Medium ein solches Team leisten. Jedoch können Journalist:innen auch eigene Arbeitsweisen dem Publikum erklären und den Journalismus so nahbarer machen. Denn auch das wird 2021 Aufgabe der Medien sein: eine stärkere Beziehung zu ihren Nutzer:innen aufzubauen.

KI braucht Ethik

Auch die Hinwendung zum KI-gestützten Journalismus ist kein Trend, den wir erst jetzt beobachten. Und so scheint mittlerweile die Frage, inwieweit wir KI-Systemen Einzug in Redaktionen gewähren wollen, nicht mehr die drängendste zu sein. Vielmehr sollten wir uns zukünftig fragen: Nach welchen ethischen Standards lässt sich KI programmieren und einsetzen? Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch gesellschaftlich wünschenswert. Schon jetzt gibt es das Kofferwörtchen Kethik, das der Diskussion einen Namen gibt. In einigen Branchen wird bereits von diskriminierenden KI-Systemen berichtet. Vielflach liegen hier noch Programmierfehler vor. Generell sollten sich Algorithmen für Redaktionen nicht nur an Effizienz, sondern ebenso an Werten orientierten. An einem solchen werteorientierten Algorithmus arbeitet bereits der Schwedische Rundfunk und verspricht keine redaktionelle Entscheidungen an computerbasierte Systeme abzugeben. Es bleibt abzuwarten, wie die Medien KI und soziale Verantwortung zukünftig vereinbaren.

Journalistische Start-ups nehmen zu

Für einige mag das merkwürdig klingen, aber Journalismus-Experte Jeremy Caplan ist sich sicher: Jetzt ist die richtige Zeit für journalistische Start-ups. Bereits vor der Corona-Pandemie setzte der neue Newsletter-Boom in der Branche ein, von Podcasts ganz zu schweigen. Besonders in den USA, wo tausende Journalist:innen in der Krise ihre Jobs verloren haben, trauen sich (sicherlich manchmal auch notgedrungen) mehr und mehr Medienschaffende eigene Projekte zu entwickeln. Ebenjene Formate wie Newsletter und Podcasts lassen sich ohne großes Medienhaus im Rücken verwirklichen. Mit Plattformen wie z.B. Substack ergibt sich zudem die Möglichkeit der Monetarisierung. Diese Entwicklung zum Self-Publishing bringt weitere Anbiet-Plattformen auf den Markt, die mit ihren neuen Modelle klassische Verlage unter Druck setzen. Dem (neuen) Newsletter-Boom haben wir uns auch in einem eigenen Beitrag gewidmet. Hier kannst du ihn noch einmal nachlesen.