Nach Streit um Presseförderung: Bund startet Programm für strukturelle Journalismusförderung

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© John Schnobrich (Unsplash)

Die 220-Millionen-Presseförderung durch das Wirtschaftsministerium ist vom Tisch. Nun stellt der Bund ein neues Programm vor. Kann jeder auf die Unterstützung hoffen?

„Ein guter Tag für die Pressefreiheit“ titelt das Online-Magazin Krautreporter in einem offenen Brief an seine Mitglieder. Was für so viel Euphorie gesorgt hatte, war die Ankündigung des Bundeswirtschaftsministeriums, seinen Entwurf einer geplanten Presseförderung zurückzuziehen. Mit 220 Millionen Euro wollte der Staat Verlage bei der digitalen Transformation unterstützen. Schnell wurde Kritik laut – sogar von den Verlagen selbst. Vor allem störten sich aber digitale Start-ups und Publisher, wie eben Krautreporter, an dem Entwurf: Sie sahen sich zu wenig berücksichtigt. Das Förderkonzept schließe digitale Medien aus. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) knickte angesichts der immensen Kritik ein und erklärte das Projekt im Frühjahr 2021 für gescheitert. Welche Punkte zum Scheitern führten, könnt ihr hier nachlesen. 

Neues Programm für unabhängigen Journalismus 

Nun stellt die Bundesregierung ein neues Förderprogramm vor. Dieses Mal soll das Geld aus dem Haushalt der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien kommen. Und: Statt die digitale Umstrukturierung in den Vordergrund zu stellen, geht es Kulturstaatsministerin Monika Grütters vor allem um die Stärkung eines unabhängigen Journalismus. Rund eine Million Euro stellt sie in ihrem „Förderprogramm zum Schutz und zur strukturellen Stärkung des Journalismus“ Medienmacher:innnen zur Verfügung.  Damit reagiert die Ministerin nach eigenen Angaben auch auf die zunehmenden Anfeindungen gegen Journalist:innen und verweist auf mindestens 65 Übergriffe in Deutschland 2020.

Projekte mit Modellcharakter stehen im Vordergrund

Gefördert werden Projekte, die einen strukturellen Mehrwert für den Journalismus haben und dessen Diversität stärken. Da es eine Bundesförderung ist, muss es sich um Modellprojekte handeln, die eine bundesweite Strahlkraft besitzen. Lokale Initiativen wären demnach raus.  Auf der Seite der Staatsministerin für Kultur und Medien werden einige Beispiele genannt:

  • Exilprogramme für ausländische Journalist:innen in Deutschland unterstützen;

  • Projekte in Journalistenschulen stärken;

  • die wissenschaftliche Erforschung alternativer Geschäftsmodelle unterstützen;

  • Beratung / Unterstützung anbieten für (im Netz) verfolgte, diffamierte oder bedrohte Journalist:innen in Deutschland;

  • die Fortbildung von Journalist:innen unterstützen, unter anderem im Umgang mit elektronischer Sicherheit und Kommunikationsverschlüsselung;

  • die aktuelle Situation der Presselandschaft und den Zustand des Journalismus in Deutschland erforschen und entsprechende Handlungsempfehlungen erstellen;

  • die Diversität des Journalismus in Deutschland stärken;

  • den Austausch und die Vernetzung von Journalist:innen fördern.

Antragsberechtigt sind nur juristische Personen. Das Programm sieht keine Förderung einzelner Journalist:innen oder Medien vor. Damit soll die „Unabhängigkeit der Presse sowie ein fairer publizistischer Wettbewerb gewährleistet“ bleiben. Über die eingereichten Projekte entscheidet eine Fachjury, die vom Bund noch nicht näher bestimmt worden ist.

Kein Aufguss der gescheiterten Presseförderung

Wie ist die Idee der Kulturstaatsministerin zu werten? Grundsätzlich begrüßt es Jun.-Prof. Dr. Christopher Buschow, dass sich die Ministerin in ihrem Zuständigkeitsbereich endlich dem Thema annimmt. Aber: „Bei der Förderung handelt es sich aus meiner Sicht um einen erneuten Schnellschuss mit einer Million Euro und damit deutlich zu geringem Budget“, so der Medienwissenschaftler. Er verweist auch auf die Mindestsumme für einen Antrag von 200.000 Euro. Demnach könnten nur fünf Projekte gefördert werden. In seiner Arbeit befasst sich Christopher Buschow vor allem mit innovativen Konzepten im Journalismus. Die seiner Meinung nach so dringend benötigte Innovationskraft im deutschen Journalismus, sieht er mit dem Programm nicht gefördert. Unterstützt werden nur Projekte, die mittelbar etwas mit journalistischen Inhalten zu tun haben, so der Wissenschaftler. Bei der Presseförderung standen vor allem die Digitalisierung der Verlage im Vordergrund. Sicherlich, das neue Förderprogramm sollte nicht als erneuter Versuch der gescheiterten Presseförderung gesehen werden. Dazu unterscheiden sich die Ziele der beiden Programme zu sehr voneinander. Vielleicht legt der Bund aber noch nach – mit einem Programm, das die digitale Transformation fördert und dabei niemanden ausschließt.

Anträge auf das Förderprogramm der Kulturstaatsministerin können noch bis zum 5. Januar 2022 eingereicht werden. Das Antragsformular und weitere Informationen zu den Förderbedingungen findet ihr hier.

Mehr zum Thema „Innovationen für den deutschen Journalismus“ könnt ihr in einem Beitrag von Christopher Buschow und Christian Wellbrock nachlesen, der auf epd.de erschienen ist.