Presseförderung: Wer bekommt die Millionen?
Nichts Konkretes, aber reichlich diskutiert wurde zum Thema Presseförderung schon 2020. Jetzt sollen die Millionen vom Bund erstmals verteilt werden. Gibt es endlich ein verbindliches Konzept?
Im Juli 2020 hatte der Bundestag eine Förderung von bis zu 220 Millionen Euro* auf mehrere Jahre verteilt für Presseverlage beschlossen. Das Bundeswirtschaftsministerium unter Peter Altmaier (CDU) wollte „unverzüglich“ ein Konzept vorlegen, wie genau die vom Bundestag zugesagten 220 Millionen Euro an Zeitungen, Zeitschriften und Anzeigenblätter verteilt werden sollen. Im Herbst 2020 gab es dann ein vierseitiges Entwurfspapier, das auf viel Kritik stieß, obwohl noch nichts endgültig beschlossen war. Am heftigsten diskutiert wird der Punkt, das nur Medien mit Printfokus gefördert werden sollen. Wofür die Presseförderung gedacht ist, könnt ihr hier lesen.
Bund nennt erste Fördermöglichkeiten
Anfang März 2021 informierte das Ministerium nun den Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) sowie die Verbände der Lokalzeitungen (VdL), Zeitschriftenverleger (VDZ) und Anzeigenblätter (BVDA). In der Mitteilung werden erste Beispiele genannt, was zukünftig gefördert werden soll und wann erstmals die Millionen fließen.
Der Entwurf legte bereits fest, wie viel Förderung Abonnementzeitungen und -zeitschriften sowie Anzeigenblätter erhalten sollen. Jetzt steht fest: Neben Zeitungen werden auch Fachmedien, nicht aber Mitglieder- und Kundenmagazine berücksichtigt. Das Branchenmagazin Horizont (paid) listet mögliche Förderprojekte auf, die von der Finanzspritze profitieren könnten. Demnach erhalten Verlage u.a. Subventionen für:
den Aufbau von Online-Shops, Rubrikenportale und Apps sowie für den Aufbau eigener oder verlagsübergreifender Vertriebsplattformen
die externe Entwicklung und technische Umsetzung von Bezahlsystemen, digitalen Abomodellen und Podcasts/Audio
die Ausgaben für Beratungsleistungen bei der Konzeption neuer Geschäftsfelder, neuer digitaler Produkte oder Vermarktungsstrategien, etwa von lokalen und sublokalen Nachrichten
die Ausgaben für Marketing (in sozialen Netzwerken und auf anderen digitalen Plattformdiensten)
für Hard- und Softwareausgaben als auch für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), für neue Formate, Analysetools oder Netzwerktechnologien sowie zur Ausstattung von Mitarbeiter:innen mit digitalen Arbeitsmitteln (z.B. Virtual-Reality-Brillen)
und die Qualifizierung und Schulung von Mitarbeiter:innen zu Themen der digitalen Technik, des Online-Marketings, zum Kulturwandel oder zum Aufbau von Datenkompetenz.
Nicht berücksichtigt werden Projekte, die die Verlage bereits angestoßen haben oder die schon eine Förderung erhalten. Standardsoftware oder –hardware genauso wie Eigenleistungen sind ebenfalls nicht subventionsberechtigt.
Digitale Medien-Start-ups gehen leer aus
Mit dem neuvorgelegten Konzept nimmt die Presseförderung des Bundes langsam Kontur an, umstritten wird sie aber bleiben, denn: Weiterhin soll es nur für Medien, die physisch zugestellt werden, eine Unterstützung geben, also rein digitale Medien sind von der Förderung ausgeschlossen. Digitale Medien-Start-ups gehören daher auch zu den großen Kritiker:innen. Die neuen Fördermöglichkeiten fasst Sebastian Esser, Mitbegründer des werbefreien Online-Magazins Krautreporter.de, in einem LinkedIn-Post zynisch zusammen:
„Der Wirtschaftsminister gibt den Druckverlagen 220 Millionen Euro. Den digitalen Verlagen: nichts. Und so darf die Printindustrie das Geld u.a. ausgeben: Facebook-Werbung schalten, Relaunch für ihre Zeitung, Kulturwandel-Seminare, Digital-Berater und mein Favorit: VR-Brillen kaufen."
Junge Unternehmen werden laut Esser bestraft, große Verlage, die viele Jahre die Digitalisierung verschlafen haben, mit Millionengeldern belohnt:
„Die unabhängigen digitalen Medien haben sich aus eigener Kraft neue journalistische Geschäftsmodelle geschaffen. (…) Sie konkurrieren aber mit den Verlagen um Reichweite, um Talente, um die Budgets der Bürger. Wenn jetzt die Regierung diese ohnehin übermächtige Konkurrenz mit enormen Summen ausstattet, verzerrt sie den Wettbewerb. Das schadet den Unternehmern, die früh den Sprung ins kalte Wasser gewagt haben. Sie belohnt die Zauderer und bestraft die Pioniere.“
Das Forum Gemeinnütziger Journalismus sieht das genauso und appelliert bereits im Dezember 2020 in einem Offenen Brief an das Ministerium: “Eine Förderung von Medien ist nur dann sinnvoll, wenn sie der demokratischen Öffentlichkeit nutzt. Darum sollte nicht die gedruckte Auflage das Kriterium einer möglichen Förderung sein, sondern die Schaffung und der Erhalt aufklärender journalistischer Arbeit sowie die Sicherung von journalistischen Innovations-Ökosystemen.” Weiter heißt es, dass das Medienformat in der heutigen digitalen Öffentlichkeit zweitrangig sei. Darum müsse eine Presseförderung für alle Verbreitungskanäle und Modelle - ob Text, Bild oder Ton - gleichermaßen möglich sein. Nur dann würde auch die Demokratie und Debattenkultur von der finanziellen Unterstützung profitieren.
Die Zeit läuft
Der Plan des Bundeswirtschaftsministeriums ist fragwürdig, auch in anderer Weise: Zwar bemüht sich die Regierung, nicht in journalistische Inhalte einzugreifen, dennoch bleibt es eine staatliche Subventionierung des Pressewesens in Deutschland. Als weitere Bedingung nennt das Ministerium Kriterien wie die „Einhaltung des Pressekodex“ und „gute Arbeitsbedingungen in Redaktionen“. Bleibt die Frage: Wer soll das kontrollieren? Was sind „gute Arbeitsbedingungen“? Und was passiert, wenn diese nicht erfüllt werden?
Und so zeigen sich auch die Verlage nur verhaltend erfreut über die Millionen des Bundes. Zu unklar sind noch immer konkrete Förderbedingungen und das, was bereits formuliert ist, wirkt realitätsfern. So müssen Projekte, die Gelder erhalten, nach sechs Monaten abgeschlossen sein. Anschließend sollen sie auf ihre erfolgreiche Umsetzung überprüft werden. Ein hoher Verwaltungs- und Zeitaufwand bei der Antragstellung könnte hinzukommen.
Laut Einschätzung des BDZV müssen die Förderanträge spätestens im Mai/Juni gestellt werden, damit die Gelder für dieses Jahr noch genutzt werden können. Doch die neuen Richtlinien liegen derzeit beim Bundesfinanzministerium. Werden sie dort durchgewinkt, geht es noch einmal nach Brüssel, wo das Förderprogramm auf EU-Ebene notifiziert werden muss. Das Ministerium von Peter Altmaier plant mit ersten Anträgen im Sommer 2021. Es gibt also auch noch im Frühjahr 2021 viele Fragen zu klären – und die Zeit läuft. Das ist wohl auch dem Bundeswirtschaftsminister bewusst. Sein Ministerium will die Verbände im April zu einer Informationsveranstaltung einladen. Fraglich, ob es auch einen Austausch mit Online-Medien geben wird. Bei Letzteren wäre auf jeden Fall der Gesprächsbedarf da.
*20 Millionen Euro sind davon bereits im vergangenen Haushaltsjahr u.a. für die "Erarbeitung und Abstimmung der erforderlichen Förderrichtlinie sowie Beauftragung eines Projektträgers" ausgegeben worden. Daher beträgt die tatsächliche Fördersumme 200 Millionen Euro. Die Fördersumme wird in den Medien aber weiterhin mit "220 Millionen Euro" beziffert.
Noch mehr Infos zum Thema
Bereits im Dezember 2020 haben wir mit Politik und Wissenschaft zu diesem Thema gesprochen. Lest hier noch einmal die Interviews mit Bundestagsabgeordneten Martin Rabanus (SPD) und Medienwissenschaftler Jun.-Prof. Dr. Christopher Buschow.